Der PC-F(l)achmann
Meine Frau war ja immer gegen die Anschaffung eines PCs. Sie von den technischen Errungenschaften zu überzeugen, ist genau so schwierig, wie einem Kakadu das Breakdancen beizubringen. Aber eines Tages konnte sie meinen andauernden PC-Angriffswellen nicht mehr standhalten.
Da steht der PC nun endlich auf meinem Schreibtisch, anmutig und erhaben. Zugegeben, viel Ahnung von der Materie habe ich nicht. Und irgendwie kommt es mir so vor, als grinste mich der PC an, als wollte er sagen: "Na dann lass mal kommen, Freundchen, Dir werd ich es zeigen!". Ich vernehme einen hämischen, geringschätzigen "Blick" des Monitors in meine Richtung. Nach besten Wissen und Gewissen habe ich alle Komponenten angeschlossen und der Weg meiner Hand zum POWER-ON Knopf des PCs ist mit Ungewissheit besetzt. Schließlich bin ich meiner Frau den Grund für die Anschaffung des Computers noch schuldig. Scheußliche Situation! Ich wage es! Ich drücke auf den Knopf und nehme vorsichtshalber Deckung hinter der Wohnzimmer-Couch! Man weiß ja nie. Es beept, es knattert und dann ist es totenstill! Ich hebe meine Augen langsam über den Rand der Couch-Lehne und sehe ein "C:" auf schwarzem Untergrund. Na bitte! Er läuft! Stolz wie Oskar rufe ich meine Frau herbei. Sie kommt, blickt mich ungläubig an und meint, auf den Monitor weisend: "Wieso fängt der mit „C“ mitten im Alphabet an? Wieso nicht bei „A“?
Nicht die verkehrteste aller Fragen! Meine Frau wartet immer noch auf die Antwort. Ich muss eine plausible Erklärung finden! Schließlich habe ich ihr weiß gemacht, das PC-Knowhow sei kinderleicht. "Na ja, das „C“ bedeutet Computer", sage ich ihr. "Du kannst vielleicht dumme Fragen stellen!". Kopfschüttelnd, etwas beleidigt, verschwindet sie wieder in die Küche, während ich das Betriebssystem installiere. Wow! Mein erstes Farberlebnis! Denn der schwarze Hintergrund mit dem öden "C:" hat sich in eine bunte SHELL verwandelt. Ich triumphiere innerlich: Detlef, du bist ein Genie!
Die Anleitung zu diesem Betriebssystem beginnt mit einem "Kennenlern-Kapitel". Demnach soll ich mit der Maus auf das Menü DATEI fahren und mit einem Doppelklick den Texteditor, eine einfache Textverarbeitung, aufrufen. Ich fasse meine Maus, setze sie auf dem Monitor ab und fahre auf die Schrift DATEI. Mit der linken Maustaste klicke ich, aber nichts tut sich! Mist! Nochmal … (Doppelklick) … und wieder tut sich nichts! Ein echtes Problem! Aber diesmal bin ich schlauer. Ich werde mich hüten, meine Frau aus der Küche zu rufen, sondern rufe beim PC-Händler an, leise natürlich. "Hören Sie mal," sage ich, "meine Maus funktioniert nicht, was haben Sie mir denn da verkauft?". Der Händler stutzt kurz und fragt mich, ob ich für die Maus einen Treiber habe. "Wollen Sie mich vereiern?" entgegne ich! "Meinen Sie etwa, ich stelle mich hinter die Maus und feuer sie auch noch mit „ChaChaChaaa“ an ?". Es wird leise bei meinem Gesprächspartner. Sollte ich ihn in die Enge getrieben haben? Die Stille sagt mir, dass ich in der Gesprächsführung die Oberhand gewonnen habe. "Also passen Sie auf", spricht der Händler im schroffen Ton, "wenn Sie mit der Maus nicht zurecht kommen, können Sie immer noch die Hotkeys benutzen!" Ein "Klick" im Hörer und er legt auf. So ein arroganter Schnösel! Zumal ich auf dem Monitor ein paar Kratzer von der Maus erkenne. Hotkeys … hmmm … war das nun ein schlechter Scherz oder sollte sich die Tastatur wirklich so schnell erwärmt haben? Ich hole mir zum Schutz die Lederhandschuhe aus dem Winterschrank, streife sie über und arbeite mich in der Anleitung weiter vor. Ich bin im Texteditor und tippe ein paar Buchstaben ein. Wenigstens das klappt!
Die SHELL und die Textverarbeitung scheine ich im Griff zu haben. Ich fühle mich stark genug, meiner Frau erste Anwendungen demonstrieren zu können. "Kommst Du mal, ich will Dir mal was zeigen", rufe ich in Richtung Küche. Mehr widerwillig als willig steht sie neben mir. Ich zeige ihr den Editor der SHELL und tippe einen Satz ein, den ich mit den BACKSPACE-, ENTF- und DEL-Tasten korrigiere. "Siehst Du, so funktioniert organisierte Textverarbeitung. Die Zeit Deiner Tippfehler auf der Schreibmaschine sind vorbei." Trocken sagt sie: "Es gibt doch die Möglichkeit, den Text rechts- und linksbündig zu setzen. Mach doch mal!". Ich belehre sie fachmännisch, dass sie doch wohl den "Blocksatz" meint, aber ich finde keine Menüfunktion hierzu. "Tja, sieht wohl so aus, als müsste ich mir morgen beim Händler noch eine „Blocksatz-Erweiterungskarte“ kaufen. Die sind aber nicht allzu teuer", beruhige ich sie. Ich verlasse den Editor und die Festplatte fährt die SHELL hoch. Die HD-LED blinkt dabei fortwährend. Meine Frau weist mich darauf hin. "Mist", fluche ich, "sieht nach einem Wackelkontakt aus". "Habe ich Dir doch gleich gesagt", kontert meine Angetraute, "je mehr Technik, desto schneller geht alles kaputt. Aber Du musstest Dir ja so ein Ding unbedingt zulegen". Sie verlässt das Arbeitszimmer.
Verärgert über ihre Worte schraube ich den PC auf. So ein Wackelkontakt muss doch zu lokalisieren sein. Oder sollte die Controller-Karte nicht richtig stecken? Ich löse die Fixierschraube der Controller-Karte, ziehe sie heraus und stelle fest, dass an ihr (auf der äußeren PC-Seite) noch die Maus klemmt (die bei mir ja eh nicht funktionierte). Mit allem Kraftaufwand versuche ich, sie von der Karte zu trennen. Ächz, sitzt die fest! Ich ziehe stärker, und noch stärker. Das Blut steigt mir vor Anstrengung in den Kopf. Doch dann: RAAAAAATSCH!! Der Trennmoment! Die linke Hand mit der Controller-Karte rast gegen das Innengehäuse des PCs, dazwischen eines der vielen Kabel. Das Kabel wird durch die große Reißkraft augenblicklich in der Mitte gekappt! Etwas anders sieht es mit der rechten Hand aus. Dort halte ich den Mausstecker, an dem sich Teile der Controller-Karte befinden. Oh je, ich habe vergessen, vorher die Befestigungs-Verschraubung des Maussteckers zu lösen. Mir wird heiß, denn in Gedanken sehe ich meine Frau hinter mir stehen – schimpfend. Gott sei Dank hat sie den enormen Krach des Trennens nicht mitbekommen. Der Do-it-Yourselfer in mir ist weiterhin ungebremst, wenngleich mir Schweißperlen der Angst an der Schläfe herunterlaufen. Ich knote das gekappte Kabel zusammen, setze die Controller-Karte wieder in den Steckplatz ein. Sie scheint aber nicht richtig fest zu sitzen. Ich eile ins Kämmerchen und besorge mir einen Hammer. Mit leichten Schlägen auf die Platinenkante versuche ich, der Karte Halt beizubringen. Mit dem letzten Schlag splittert ein Teil der Controller-Platine ab. Ein paar aufgedampfte Leiterbahnen sind mithin unterbrochen. Wird wohl nicht so schlimm sein! Sind ja noch genug andere Leiterbahnen da. Fertig! Beim Zuschrauben des PC-Deckels verspüre ich immer noch große Körperwärme in mir – es ist die Angst des "Technikers" vor seinem Erfolg!
Ich drücke den POWER-ON Knopf, als meine Frau das Zimmer betritt. Mist, gerade jetzt! Sie kommt herüber und fragt leutselig: "Na, hast Du es reparieren können?". Zwischen Hoffen und Bangen antworte ich mit einem gedrückten "Sicher doch!". Ich kann allerdings nicht mehr verhindern, dass der PC das tut, was PCs machen, wenn sie plötzlich Stromzufuhr erfahren. Sie beginnen unwillkürlich zu funktionieren. Ein Urschrei meiner Frau ertönt: "Schau nur, das „C“ ist endlich weg! Wie hast Du das nur hinbekommen?". Ich weiß nicht, ob es reude oder Stolz ist, aber ihr Ausruf klingt anerkennend. Ich wende mich mit meinen Blicken von meiner Frau ab und schaue erstmals seit meiner Reparatur auf den Monitor. Das "C:" ist in der Tat nicht mehr zu sehen, nur noch ein schwarzer Hintergrund, auf dem ein Strichcursor heftig blinkt. "Aber wann taucht denn jetzt endlich das „A“ auf?", fährt sie fort, "Wieso ist der Bildschirm so dunkel? Und wo ist diese farbige SHELL?". Fragen über Fragen!! Ich harsche meine Frau an: "Du mit Deiner ewigen Fragerei! Ist doch klar, der Bildschirmschoner ist aktiv!
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